Hausmann: „Das Neue muss schon viel besser sein als das Alte“

15.01.2020

INTERVIEW Wilhelm Hausmann plädiert für eine höhere Wertschätzung des Bewährten und gegen die Verleugnung von Fakten

Manchmal sagt Wilhelm Hausmann: Ich komm‘ ja eigentlich vom Bau. Wer dann einen Blick auf seine großen Hände wirft, der weiß, was gemeint ist. Der Architekt, Diplom-Ingenieur und Oberhausener CDU-Parteivorsitzende hält mehr vom Anpacken als vom Drumrumreden. Seit 2019 ist Hausmann auch wieder Abgeordneter für die CDU im Düsseldorfer Landtag, dem er schon von 2012 bis 2017 angehörte. Im Gespräch mit dem „Klartext“ erklärt der Vater dreier Kinder, was das mit seiner Zeit macht. Und er erklärt, was er unter Haltung versteht.

Herr Hausmann, was verbinden Sie mit dem Begriff „Dienstpflicht“?

Ich finde den Ansatz unserer CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer sehr gut, dass junge Menschen zum Zeitpunkt des Erwachsenwerdens – zwischen Schule und Ausbildung – Erfahrungen im Einsatz für die Gemeinschaft sammeln können. Hierbei geht es um die Vermittlung von Werten und das Erleben von Werten, auf denen unsere Gesellschaft aufgebaut ist und die sie tragen. Weder eine Ökonomisierung der Bildung noch ein völliger Individualismus sollten junge Menschen prägen. Bei der Dienstpflicht sollten meiner Einschätzung nach die unterschiedlichen Dienste gleichberechtigt nebeneinander stehen und frei gewählt werden können. Das reicht von der Bundeswehr über den Sozialdienst, die Entwicklungshilfe, den Umweltschutz bis hin zur Ausbildung für die freiwillige Feuerwehr.

Wie würden Sie selbst Ihren politischen Standort beschreiben?

Für mich zählen die klassischen Kriterien der CDU. Christlich, liberal und konservativ.

Wie ist denn Ihre politische Sozialisation verlaufen?

Mich hat motiviert in die Politik zu gehen, dass ich in der Katholischen Jugendbewegung engagiert war, dass meine Eltern mir rechtzeitig eine besondere politische Betonung beigebracht haben, worauf es im Leben ankommt. Nämlich darauf, Verantwortung zu übernehmen, für die eigene Haltung einzustehen - und eben nicht nur für sich selbst zu leben, sondern einen Blick dafür zu haben: Was hat Bedeutung für viele Menschen?

Hat sich an Ihren grundsätzlichen Werten etwas verändert? Sie sind lange politisch aktiv, waren schon in der Oberhausener Jungen Union, waren von 1994 bis 2012 im Rat der Stadt, sind bereits seit 2003 Parteivorsitzender in Oberhausen…

Nein, die Grundhaltung ist dieselbe geblieben. Die Freunde, mit denen ich diese Grundhaltung teile, sind übrigens auch dieselben geblieben. Das ist für mich im wahrsten Sinne des Wortes eine Bestätigung des Konservatismus. Konservatismus heißt ja auch: Das, was bewährt ist, das sollte man nicht über Bord werfen. Neues nimmt man dann an, wenn es deutlich besser ist als das Alte. In der heutigen Politik fällt mir häufig auf, dass der Begriff des Bewährten kaum noch eine Rolle spielt. Die Frage „Was hat sich als gut erwiesen?“ wird kaum noch oder auf jeden Fall viel zu selten ausreichend beleuchtet. Dabei halte ich die Antworten auf diese Frage für ganz wichtig.

Haben Sie ein Beispiel?

Mit Blick auf die Klimadebatte stelle ich fest, dass wir an jedem Tag aufs Neue dazu veranlasst werden, zu schauen: Was können wir noch tun? Wir überprüfen aber relativ selten, was wir bereits getan haben, ob das, was wir getan haben, Wirkung entfaltet – und welche genau? Wir müssten insgesamt viel öfter, wie in einer vernünftigen Firma, den Stand der Dinge betrachten: War das sinnvoll? Auf der Basis der Ergebnisse der Betrachtung müsste dann die weitere Strategie bestimmt werden.

Noch einmal zum Thema Haltung. Man kann den Eindruck gewinnen, dass in der politischen Mitte weniger Haltung als Haltungsflexibilität gefragt ist. Das könnte eine Ursache für das Erstarken der Ränder sein…

Viele Gruppierungen, die in Deutschland nicht zur politischen Mitte gehören, schaffen es, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es entsteht dann der Eindruck, dass sie es sind, die das politische Alltagsgeschehen bestimmen. Wenn ich aber diese Anmerkung machen darf: Was ich wirklich schlimm finde, ist, dass es darunter so viele Akteure gibt, die andere Menschen verändern und ihre Ideologie aufdrücken wollen. Das widerspricht doch eigentlich einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft. Wir Christdemokraten nehmen die Menschen an, so wie sie sind.
Deutschland steht im internationalen Vergleich hervorragend da. Geringe Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum über Jahre hinweg, stabiles Gesundheitssystem. Trotzdem hat sich eine diffuse Unzufriedenheit verbreitet.
Wir schauen einfach zu wenig darauf: Was haben wir geschafft? Die Selbstsicherheit, die man braucht, um zu neuen Entscheidungen zu finden, die resultiert auch daraus, dass man auf das zurückschaut, was bereits geleistet und gut ist. Dazu kommt: Auf der extremen Linken wie auf der extremen Rechten werden die Fakten oft einfach verleugnet. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit das Bild einer polarisierten Gesellschaft. Das verunsichert, obwohl dieses Bild nicht der de facto vorhandenen großen Sicherheit, dem großen Wohlstand, dem verlässlichen Rechtsstaat entspricht.

Was macht in der Gesellschaft des Wohlstandes eine Überschrift wie diese mit Ihnen: „Immer mehr Armut in Deutschland“?

Es gibt Menschen in unserem Land, die nicht mitkommen, die an unserer Gesellschaft nicht in der Weise teilhaben, wie es sein sollte. Deshalb müssen wir immer wieder schauen, wie wir Teilhabe besser ermöglichen. Ich habe aber Schwierigkeiten mit dem Begriff Armut. Wir leben nicht nur in einem Land, um dessen Wohlstand uns Milliarden Menschen beneiden. Unser Land verfügt auch über ein so ausgefeiltes Sozialsystem, wie es kaum ein anderes Land vorweisen kann. Dürfen wir im Angesicht schlimmster Not auf unserer Erde, angesichts von Menschen, die nicht wissen, wie sie sich, wie sie ihre Kinder am nächsten Tag ernähren sollen, wirklich von Armut in Deutschland sprechen?

Herr Hausmann, Sie sind zurückgekehrt in den Landtag. Was bedeutet das mit Blick auf Ihre Zeit?

Ich stelle fest, dass Zeit nicht beliebig vermehrt werden kann.

Sie haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder zu Themen der Sicherheit geäußert...

Die NRW-Koalition hat zum Beispiel gerade eine Task Force zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Geldwäsche gebildet. Hier geht es auch um die Bekämpfung von Terrorfinanzierung. Dieses Thema gehen wir ganz entschieden an. Es gibt eine Kooperationsvereinbarung von Finanzminister Lutz Lienenkämper, Innenminister Herbert Reul und Justizminister Peter Biesenbach. Eine Einheit von Fachleuten aus den Ressorts ist in das Landeskriminalamt eingezogen. Dass bei einer Razzia im Zusammenhang mit dem sogenannten Hawala-Banking 22 Millionen Euro sichergestellt werden konnten, ist ein erster großer Erfolg der Kooperation.

Bleibt NRW ein Stauland?

Wir kommen wirklich voran, auch wenn viele Menschen in Nordrhein-Westfalen das noch nicht sehen. Ich kann aber jeder Autofahrerin und jedem Autofahrer versichern: Wenn Sie vorher im Stau gestanden haben, dann, weil nichts getan wurde. Heute – ich weiß, für den im Stau Stehenden ergibt sich daraus nur ein minimal besseres Gefühl – heute stehen Sie im Stau, weil etwas getan wird, was für die Zukunft unsere Verhältnisse erheblich verbessert.

Welche Rolle spielt die Stadt Oberhausen in Ihrem Alltagsgeschäft im Landtag?

Bei wirklich jedem Thema habe ich im Blick: Was kann das für Oberhausen bringen? Bestes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist, dass der Bund massiv Gelder frei macht für die Verbesserung von Nahverkehr. Oberhausen gehört zu den Städten mit den meisten Eisenbahnstrecken und den wenigsten Nutzungsmöglichkeiten. Wir werden aus diesem Bundesprogramm mit Unterstützung des VRR und des Landesverkehrsministers Hendrik Wüst die Reaktivierung von Eisenbahnlinien und Haltepunkten voranbringen. Das wird die Chancen klar verbessern, mit dem öffentlichen Nahverkehr schnell Ziele in Oberhausen und den Nachbarstädten zu erreichen.

Das Interview erschien im KLARTEXT, Ausgabe Dezember 2019.